Der Passagier

Die Geschichte

Also, es fängt damit an, dass der Verlagschef des Schwar­zwald Kuriers keinen Reporter fand, der sich auf die strapaziöse und gefährliche Reise zur Bericht­erstattung über die Fertig­stellung der Trans­sibirischen Eisenbahn durch Sibirien hin an die Pazifik­küste be­geben wollte. So entschloss er sich kurzerhand in seiner Zeitung eine ent­sprechende Stellen­anzeige zu ver­öffentlichen.

Wir schreiben das Jahr 1903. Heinrich Ziem, ein damals junger und etwas un­ausgelasteter Bank­angestellter, entdeckte die Ausschrei­bung als er seinen Keks, wie jeden Nachmittag, in seinen Tee tauchte und bewarb sich, ein Abenteuer suchend, umgehend. Eine Woche später saß Heinrich Ziem im Express­zug nach Moskau, seine Anstellung ge­kündigt, seine geliebten Dahlien der Nachbarin anvertraut und mit einem Vorschuss des Schwarz­wald Kuriers von stattlichen fünf­hundert Reichs­mark in der Tasche. Er sollte nie wieder in seinen alten Beruf zurück­kehren: Es war der Beginn einer lebens­langen Reise und zahlloser Bericht­erstattungen eines groß­artigen Reise­journalisten, unseres Passagiers, Heinrich Ziem.

Ein Teil des Redaktions-Teams „Der Passagier“ bei der Ankunft auf der Schatzalp, Davos.
Jeden Nachmittag nimmt sich Heinrich Ziem eine Stunde Zeit, um die Tageszeitung zu lesen.
Heinrich Ziem vor der Abfahrt mit dem Expresszug nach Moskau. Seine Mutter und Tante verabschieden ihn am Bahnsteig.

Seine famosen Geschichten gerieten nach seinem Tod in Vergessenheit und Ziems bevorzugte Reiseart, das Zugreisen, verlor über die Jahr­zehnte an Bedeutung. Erst im Jahr 2020 entdeckte eine Gruppe von Zugreise-Begeisterten in einem Istanbuler Buch-Antiquariat eine Holz­kiste mit zum Teil unver­öffentlichten Typo­skripten und unzähligen alten Fotografien seiner Exkursionen. Gefesselt und begeistert von den Erzählungen, die sie im Çorlulu Ali Pasa Café bei einem Glas Schwarztee lasen, fassten Sie den Entschluss Heinrichs Erlebnisse nicht nur einem breiten Publikum zugänglich zu machen, sondern auch den Geist seiner journal­istischen Arbeit wieder­aufleben zu lassen. Überzeugt davon, dass ein neues goldenes Zeit­alter des Zug­reisens nicht nur hinter, sondern auch vor ihnen liegt, begaben sie sich auf den (Schienen-)Weg.