Davos – Drei Reporter im Schnee

Unterwegs mit dem Bernina Express und auf der Arosalinie

Text: Adrian Dinser
Fotos: Andreas Wenck
Illustration: Kariana Dinser-Nennstiel
Drei Reporter machten sich auf den Weg in die Bündner Gebirgswelt. Angetrieben von der Suche nach Ent­schleunigung wandelten sie bewusst und unbewusst auf den Spuren eines der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahr­hunderts. Zwei »Wunder-Zeitmaschinen« wurden ihnen als magisches Erlebnis empfohlen: der Bernina Express und die Arosabahn.
Der Passagier
Hans Castorp reiste schon vor mehr als 100 Jahren mit dem Zug nach Davos

Als sich die Sonne wieder deutlich neigte, erreichten die drei Reisenden schließlich Davos Platz. Vom Bahnhof war es für die drei nur ein kurzer Fußweg zur Talstation der Standseilbahn, versteckt in einer Seitenstraße. Unterwegs begegneten ihnen Skifahrer und Tagesausflügler, die allesamt einen unbeschwerten Ausdruck auf ihren Sonnenbrillengesichtern trugen – das fiel den Reisenden sofort auf. Die Standseilbahn, eine Errungenschaft aus den frühesten Tagen des Hotels, die wiederholt modernisiert wurde, brachte sie dem Ziel näher: dem Hotel Schatzalp auf dem eigens errichteten Sonnenplateau, 300 Meter oberhalb von Davos. Mit jedem Meter in der Standseilbahn wurde die letzte Etappe zu einer Zeitreise in die Vergangenheit, aber das sollte den Reportern erst später bewusst werden.

Der Passagier - Davos
Der Passagier - Schatzalp Standseilbahn
Von den Balkonen der Schatzalp lässt sich dieser Ausblick genießen (li.). Seit 122 Jahren fährt eine Standseilbahn die Besucher vom Ort nach oben.

Das Jugendstilhotel Schatzalp eröffnete im Jahr 1900 als Luxus-Lungensanatorium und diente Thomas Mann unter anderem als Vorlage für das fiktive »Internationale Sanatorium Berghof«, der Ort, an dem eines seiner populärsten Werke spielt, »Der Zauberberg«. Der Protagonist Hans Castorp reist aus Hamburg nach Davos, um seinen lungenkranken Vetter zu besuchen und wird schließlich selbst zum Patienten. Aus einer drei-wöchig-geplanten Reise werden sieben Jahre, die Castorp als Patient im Sanatorium verbringt. Dazu inspiriert wurde Mann durch einen Besuch bei seiner Frau, die an Tuberkulose erkrankte und einige Zeit für eine Lungenkur in Davos weilte.

Die Schatzalp: Ein bisschen »old fashioned« und äußerst charmant

Durch den Schnee stapfend folgten sie den Schildern zum Eingang. Vom Windfang führten großzügige Stufen hinauf zur Empfangshalle. Hier wurden die Reisenden freundlich an der Rezeption begrüßt. Auf dem Holztresen stand ein Körbchen, in dem die schwarze Katzendame »Bella« mit ihren gelbgrünen Augen die Neuankömmlinge halbschlafend beobachtete. Auf ihren Zimmern angekommen, gelangten sie zu der Überzeugung, dass hier die Zeit tatsächlich in einem anderen Maße voranschritt.

Der Passagier - Davos
SCHATZALP

Auf dem Zauberberg

Das Sanatorium „Schatzalp“ wurde 1950 in ein Hotel umfunktioniert und von da an schien es sich zumindest äußerlich keinem Zeitgeist angepasst zu haben. Die Zimmer wurden behutsam und liebevoll renoviert – der einstige Charme, sowie der Stil der Möbel und des Badezimmers, blieben erhalten. An den Wänden befanden sich noch die ursprünglichen Arvenholz-Vertäfelungen. Einen Fernseher gab es nicht – dafür ein nostalgisches Radio, auf dem der wunderbare Sender »Swiss Classics« eingestellt war. Wer sucht, findet doch Hinweise, dass wir das Jahr 2021 schreiben, wie das Hotel-WLAN.

Der Passagier - Schatzalp
Zeitlos schön ist der Große Salon des ehemaligen Sanatoriums

Hinter dem Hotel lässt sich gleich in den Skilift einsteigen: Der „Slow Mountain“ lädt Wintersportler zu einer entspannten Abfahrt und einem nostalgischen Sporterlebnis ein: Schneekanonen und Kunstschnee gibt’s nicht und die Betreiber werben mit genau diesem archaisch wirkenden Winter­sporterlebnis: Skifahren, wie es früher einmal war. Auf der anderen Seite des Hotels erfreuten sich die Rodler auf der Schlittelbahn: auf knapp drei Kilometer Länge führt sie in den Ort hinab und ist bis 23 Uhr beleuchtet. Dank der Standseilbahn bleibt der Weg hinauf mühelos – auf diesen Komfort sei an dieser Stelle nochmals explizit verwiesen.

Das Wiesener Viadukt - Der Passagier
Das Wiesener Viadukt liegt auf der Zubringer­strecke zur Berninalinie.

Im Rausch der Höhe

Am nächsten Morgen fuhren sie in bester Laune flink von der Schatzalp mit der Standseilbahn herab und gelangten ähnlich schnell zum Bahnhof Davos Platz, wie am Tag zuvor bei der Anreise. Als sich der Zug um Punkt 08:31 Uhr in Bewegung setzte, saßen sie schon Minuten vorher in freudiger Erwartung in den bequemen Sesseln. Im Flachland hatten sie viel über die Schweizer Bergwelt auf Schienen gehört und gelesen. Dem Pioniergeist kühner Eisenbahner war es zu verdanken, ihnen voran dem Niederländer Willem Jan Holsboer, dass hier ein ausgeklügeltes Hoch-gebirgsstrecken- Netz seinen Anfang fand.

Im Jahr 1888 begannen die Schweizer, eine Schmalspur-Gebirgsbahn zwischen Landquart und Klosters zu bauen, die schon imdarauffolgenden Jahr eröffnet wurde. Das imposante Gebirgsschienennetz wurde auf einer Länge von 384 Kilometern ausgebaut. Es gelang, Täler, Schluchten und Berghänge durch monumentale Viadukte, Tunnel und eine spektaku-läre Streckenführung zu überwinden. Auch Spitzenkehren seien in dieser Aufzählung nicht vergessen, die bis heute von dieser Leistung zeugen. Die sanfte Einbettung der Bauwerke in die Landschaft spiegelt den tiefen Respekt für die Natur wider.
So verwundert es auch nicht, dass die UNESCO einem Teil des Meister-werks, auf der Strecke zwischen Thusis und Tirano (144 Kilometer Länge, die sich in Albula- und Berninabahn teilt), den Status Welt-kulturerbe verlieh. Kurze Zeit später fuhren sie über das Wiesener Viadukt, das höchste und eines der bekanntesten der Rhätischen Bahn, das sie schon so häufig auf Fotografien abgelichtet sahen.

Passagier - Berninalinie
Foto: Sammlung Thomas Tschan
Eine Schneeschleuder in den ersten Betriebsjahren auf der Alp Grüm | Foto: Sammlung Thomas Tschan

Nun folgte der spektakulärste Teil der Albulalinie, der »Irrgarten«, der zurecht seinen Spitznamen trägt. Vier Talseitenwechsel durch Viadukte und mehrere Kehrtunnel ermöglichen dem Zug – ganz ohne Unter­stützung durch Zahnräder – einen zielstrebigen Aufstieg. Die Passagiere verloren dabei schnell den Überblick, wo genau sie sich befanden – der Blick wanderte stetig von der einen zur anderen Zugseite, um sich zu orientieren und eröffnete fort weg einen neuen Blickwinkel ins Albulatal. Unsere drei Reporter verfolgten dieses Zug­spektakel mit offenen Mündern. Nachdem sie von Filisur aus rund 700 Höhenmeter gewonnen haben und schließlich das Oberengadin hinter dem Albulatunnel erreicht hatten, waren sie sich einig: Weder eine Beschreibung noch eine Fotografie konnte das Erlebte adäquat vermitteln, von dem sie soeben Zeugen wurden. Der Fotograf stand vor der doppelten Herausforderung, einerseits die Streckenführung eindrücklich einzufangen, ein kompliziertes Unterfangen, andererseits möglichst wenig Spiegelungen in den Panoramafenstern abzulichten. Genussreisenden sei uneingeschränkt der Panoramawagen empfohlen, denjenigen, die selbst ihre Kamera zücken wollen, sei der reguläre Zug auf der Albula-Linie ans Herz gelegt, bei dem sich die Fenster öffnen lassen – für ungestörtes Fotografieren. Eine Erkenntnis, die sich unlängst unter »Pufferknutschern« rumgesprochen hat.

Was die drei Passagier-Reporter auf Ihrer Reise ins Grau­bündische erlebten erfahren Sie in der 2. Ausgabe von: „Der Passagier“ ‑ „Winterreise“

Am Bahnhof Langwies steigen unsere Reporter in die Arosabahn
St. Moritz ist eine wunderbare Zugreisedestination - ein Halt lässt sich bestens bei einer Fahrt mit der Berninabahn planen
Die drei Reporter unternahmen eine Schneeschuhtour zur Arosalinie: mehr dazu lesen Sie im aktuellen Magazin: Ausgabe 2
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