Der Liebermann-Garten in Berlin

Ästhetik, Kunst und Geschichte direkt am Wannsee

Text: Felicitas Rohrer
Fotos: Max-Liebermann-Gesellschaft
Man kann sich ganz wunderbar vorstellen, warum sich Max Liebermann hierhin zurückzog, zwischen den Birken flanierte, sich um den Nutzgarten kümmerte und den einzigartigen Blick auf den Wannsee genoss. Überall rundherum Inspirationen für seine Gemälde. Der Garten der Liebermann-Villa in Berlin ist ein Kleinod, ein ästhetisches und architektonisches Denkmal, aber auch ein historisch bedeutsamer, schöner wie tragischer Erholungsort des Malers.
Max Liebermann Staffelei

Max Liebermann, 1847 geboren, ist der wahrscheinlich bekannteste Vertreter des deutschen Impressionismus. Inspiriert von den französischen Impressionisten fand er dennoch zu seinem eigenen Stil und prägte die deutsche Kulturlandschaft maßgeblich, auch als Präsident der Berliner Secession – die Vereinigung deutscher Künstler, die sich als Gegenstück zur konservativen, akademischen Malerschule sah. Der umtriebige Künstler fand immer wieder zurück nach Berlin, seine Heimatstadt.

Im Juli 1909 erwarb er das damals letzte Wassergrundstück am Großen Wannsee, knapp 7000 Quadratmeter groß. Und auch hier bestimmte sein künstlerisches Auge. Architekt Paul Baumgarten baute ihm das dezent neoklassizistische Landhaus nach seinen Wünschen und das Gelände rundherum wurde passend zum Architektur-Stil angelegt.

Blick auf die Frontseite der Liebermann-Villa, 1925
Blick auf die Frontseite der Liebermann-Villa, 1925

Liebermann entwarf das Konzept für den Garten und erarbeitete sich in einem regen Briefwechsel und durch mehrere Ortsbegehungen mit dem Hamburger Museumsdirektor und Gartenreformer Alfred Lichtwark jedes Detail. Die Umsetzung seiner Vorstellungen erfolgte anschließend durch die Gartenbaufirma von Alfred Brodersen, dem späteren Stadtgartendirektor Berlins.

Liebermann-Garten, Berlin
Ästhetik & Formvielfalt

Ein kleiner Gartenrundgang

Und so kann man noch heute die Prinzipien der Gartenreformbewegung um 1900 bestaunen und immer wieder neue Elemente entdecken, je nachdem von welcher Richtung man in den Garten hineintritt und ob sich der Blick auf die Formen, Farben oder Art der Gewächse konzentriert. Wer sich mit Letzterem auskennt, wird entdecken, dass in Liebermanns Garten auch historische und selten gewordene Pflanzen, wie beispielsweise die Thitonie zu finden sind.
Ganz deutlich wird einem beim Spaziergang durch die Anlage auch, wie klar und durchdacht die Anordnung ist, es ergibt sich immer eine Sicht­achse, meistens durch einen Weg und es entstehen Bezüge zwischen den unterschiedlichen Gartenbereichen.

Liebermann-Garten, Berlin
Blick vom Garten auf die Blumenterrasse
Blick auf den Steg der Liebermann-Villa, Berlin
Blick auf den Steg der Liebermann-Villa

Und so findet man vor dem Haus einen großen Staudengarten, mehrere Obst- und Gemüsegärten mit Kohl, Bohnen und Tomaten, die eine wunderschöne Lindenallee mit amüsant kastenförmig geschnittenen Kronen zum Vorplatz begrenzen.

Geht man um das Haus herum, schreitet man über eine langgezogene Terrasse, um dann eine tiefer gelegene Blumenterrasse zu erblicken, die in den Rasen hin zum Wannsee übergeht. Einen interessanten Rahmen bilden hier durch Buchsbaum gefasste Beete, eine Linden­hochhecke und Hainbuchenhecken. Diese „grünen Kammern“ sollen neugierig auf das machen, was sich hinter den Hecken verbirgt. Zudem durchzieht die Heckengärten ein gerader Weg, an dessen Anfang eine Bank steht. Lässt man sich auf ihr nieder, kann der Blick ungehindert durch die verschieden angelegten Heckengärten auf den Wannsee schweifen.

Spätestens bei dieser Aussicht versteht und dankt man heimlich Liebermann, dass er diesen Genuss nicht verbaute. Wobei der Künstler auch Glück und einen guten Riecher hatte. An der rechten Grundstücksgrenze gab es bereits vor dem Kauf des Grundstücks ein Birken­wäldchen, durch das Liebermann einen Weg zum Seeufer anlegen ließ. Einen weiteren Weg zum See pachtete er kurzerhand.

Kokardenblumen

Liebermann hielt sein persönliches Paradies in über 200 Ölgemälden und Skizzen fest.

Was den Liebermannschen Garten auch so beeindruckend macht, ist die Formenvielfalt, die der Maler genüsslich umsetzte. Die zuvor erwähnten im Quadrat gepflanzten und quadratisch geschnittenen Linden stehen optisch dem ovalen Garten gegenüber, in dessen Zentrum tatsächlich ein rundes Blumenbeet liegt. Egal, aus welchem Blickwinkel man den Garten betrachtet, es ist immer nachvollziehbar, dass Liebermann in über 200 Ölgemälden und Skizzen sein persönliches Paradies festhielt. Denn es zeigt eine Ästhetik, die seinesgleichen sucht.

Ick kann jar nich so ville fressen, wie ick kotzen möchte.
Max Liebermann

Hier verbrachte Max Liebermann 1934 zurückgezogen, von der Machtergreifung der Nationalsozialisten entsetzt (von Liebermann stammt der berühmte Ausspruch „Ick kann jar nich so ville fressen, wie ick kotzen möchte.“), seinen letzten Sommer mit seiner Frau Martha. Am 08. Februar 1935 starb er. Weder seine Witwe, noch weitere Familienmitglieder hielten sich danach in der Sommer­residenz auf. Zunächst kümmerte sich ein Gärtnerehepaar um den Garten, wobei in den folgenden Kriegsjahren nur noch das Obst und Gemüse geerntet wurde. Der Umgang mit der Umgestaltung und der Zwangsverkauf von Haus und Garten ab 1940 gehört zu den düsteren Kapiteln.

Bereits 1987 wurde der moderne Garten in die Gartendenkmalliste der Stadt eingetragen, das Haus folgte 1995 in das Baudenkmalbuch. Nach und nach wurde das Gelände nach den originalen Plänen und aufgrund der zahlreich vorliegenden Briefe und Luft­aufnahmen in seinen Ursprungszustand zurückversetzt und als Museum eröffnet. 2002 ging das Anwesen endgültig an die Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin über.

Liebermann-Villa am Wannsee
Sommerhaus des Künstlers Max Liebermann am See, in dem seine Gemälde des Hauses und Gartens ausgestellt sind.
Liebermann-Villa am Wannsee: Sommerhaus des Künstlers Max Liebermann, in dem seine Gemälde des Hauses und Gartens ausgestellt sind.

Der Garten wurde am 10. April 2021 feierlich wiedereröffnet und lädt Gäste Samstags und Sonntags von 12 Uhr bis 18 Uhr ein.

Weitere Infos zu aktuellen Öffnungszeiten und Tickets auf www.liebermann-villa.de

Dresden und Sächsische Schweiz
Der Passagier empfiehlt

Dresden und Sächsische Schweiz - 5‑tägige individuelle Standort-Reise

Das Fernweh hat Sie gepackt und Sie möchten sich am liebsten gleich selbst ins nächste Zugreise-Abenteuer stürzen? Dann nichts wie los!
Dresden, oft auch als „Elbflorenz“ bezeichnet, lockt Menschen aus aller Welt auf Grund der historischen Altstadt, der romantischen Umgebung an der Elbe und der Fülle an Kunst und Kultur. Doch auch das Land um Dresden hat einiges zu bieten. Die Sächsische Schweiz ist ein Paradies für jeden Naturliebhaber...

Entdecken Sie die Welt per Zug!
Diese und weitere traumhafte Zugreisen finden Sie auf: