Foto: Matúš Vavrek
Ein Welterbe zu Fuß entdecken

Bahnwandern am Semmering

Text & Fotos: Niklas Hoth
Wer den Mythos Semmering wirklich erleben will, für den führt kein Weg daran vorbei, im Bahnhof Semmering auszusteigen und die Fahrt über die Semmeringbahn zu unter­brechen. Der Semmering-Bahnwanderweg weist uns von hier aus den Weg. Die komplette Semmeringbahn ist über diesen Weg erwanderbar. Das vielleicht schönste Stück dürfte dabei aber der Abschnitt von Semmering nach Breitenstein sein.
Der Passagier - Bahnwandern am Semmering

Es geht zunächst oberhalb des Bahnhofsgebäudes los in die Richtung, aus der wir mit dem Zug von Payerbach-Reichenau gekommen sind. Etwas oberhalb der Gleise mit Blick auf Bahnsteig 1 wandern wir los. Nach einigen hundert Metern unterquert der Weg die Bahnstrecke und man kann die Trasse teilweise von unten sehen.

Dann, nach insgesamt ca. 20-30 Minuten Gehzeit, erreichen wir die Haltestelle Wolfsbergkogel. Wer nicht viel Zeit hat, kann hier schon wieder in einen Regionalzug einteigen, aber eigentlich geht die Wanderung hier erst richtig los. Die Bahn verschwindet wieder in einem Tunnel und der Wanderweg führt durch die kleine Ortschaft, es ist der Teil von Semmering, an dem sich der Mythos und die Geschichte des Ortes erkennen lässt. Versprengt sieht man hier überall prunkvolle Villen, die von einer anderen Zeit erzählen. Einer Zeit, als der Semmering das Sommerfrische-Ziel der Wiener Gesellschaft war. Hochadel, Industrielle, Wissenschaftler oder auch Künstler fanden hier Erholung oder Inspiration. Die Anreise war dank der Bahn von Wien aus unkompliziert. Heute sieht ein Teil dieser historischen Gebäude verfallen aus, oder zumindest nicht mehr liebevoll gepflegt. Andere sind auf dem Weg dahin, wieder in altem Glanze zu erstrahlen.

Der Passagier - Bahnwandern am Semmering
MYTHOS SEMMERING

Ein Ort, der nicht erfunden werden muss

Text: Adrian Dinser | Fotos: Matúš Vavrek

Mondäner Kurort, Eisenbahnstrecke, Passhöhe zwischen Nieder­österreich und der Steiermark, UNESCO-Weltkulturerbe – und vor allem eine Legende, die Eisenbahnfreunde und Nostalgiereisende schon längst kennen. Der Passagier begab sich auf den Weg, um endlich Bekanntschaft mit Semmering zu machen.



Mit Fotograf Matúš Vavrek steige ich morgens in Wien in den EuroCity Emona. Ein wahrhaft besonderer Zug – nicht nur wegen seines legen­dären Speise­wagens (Der Passagier schwärmte davon in Ausgabe 3), sondern auch wegen der einmaligen Route gen Süden bis nach Triest. Unser heutiges Ziel liegt eine Stunde südwestlich von Wien: Semmering. Ich möchte herausfinden, was diesen Ort, von dem ich bereits so viel Spannendes und Großartiges gehört habe, so faszinierend macht.

Der Passagier - Mythos Semmering
Das Grandhotel-Flair des Südbahnhotels lässt sich noch in jedem Raum erleben (oben). Das Hotel Panhans an der Hochstraße (links) und die Villa Bittner (rechts)

Zauber der Grandhotels

Mit der Fertigstellung der Semmeringbahn im Jahr 1854 erlebte der Ort seinen ersten Aufschwung. Sogenannte »Vergnügungszügler« machten sich auf den Weg über den Semmering. Der damalige Zeitgeist, die Literatur und Malerei der Romantik ebneten den Weg. 



Die Villenkolonie

Zur gleichen Zeit entstanden zahlreiche Villen sowie kleinere Hotels und Pensionen entlang der Flaniermeile und der sogenannten Villenstraße. Es gab einen Cottage-Boom: Wohlhabende Städter trieb es in die Berge, wo sie sich ein Landhaus errichten ließen.



Die goldene Ära des Semmering

Der auf 985 Metern Höhe liegende Luftkurort Semmering übte seinerzeit nicht nur auf die Hocharistokratie eine starke Anziehungskraft aus, sondern auch auf Industrielle und hohe Beamte – kurz: das Publikum der Wiener Ringstraße. Die Belle Époque war die goldene Ära des Semmering…


Die ganze Geschichte lesen Sie in Ausgabe 4,
die Sie hier bestellen können.

Der Passagier - Bahnwandern am Semmering - Kurhaus
Blick auf das große Semmering-Kurhaus

Vorbei an der Institution Kurhaus

Auch das große Semmering-Kurhaus, an dem der Weg wenig später vorbeiführt, wirkt von außen verwaist und etwas sanierungs­bedürftig. Ein Hotelier aus Graz hat das Gebäude jedoch Ende 2019 erworben und möchte es als Hotel wiederbeleben.
Am Kurhaus vorbei, führt der Weg geradewegs auf einen beeindruck-enden Aussichtspunkt zu: Die Doppelreiterwarte. Dabei handelt es sich um einen hölzernen Aussichtsturm, von dem man einen unglaublich beeindruckenden Blick auf die Landschaft und die Strecke hat.

Der Blick fällt direkt auf die Weinzettelwand-Galerien, die beinahe gegenüber der Aussichtswarte liegen. Weiter links kann man dagegen schon Breitenstein mit dem Bahnhof erkennen, der das Ziel unserer Wanderung ist. Von hier sind es (schnellen Schrittes) noch ca. 1 ½ – 2 Stunden, bis man dort ankommt. Die Zeitangaben auf den Wanderschildern sind etwas höher.

Der Passagier - Bahnwandern am Semmering
Das Adlitzgraben-Viadukt vom Wanderweg aus gesehen.
Der Passagier - Bahnwandern am Semmering
Das Kalte-Rinne-Viadukt von unten. Das Ghega-Museum ist wenige Meter entfernt.

Weiter geht es auf dem Wanderweg mit Blick ins Tal. Das nächste Highlight ist das Adlitzgraben-Viadukt. Man unterquert hier die Strecke und erklimmt dann den Berg neben dem Viadukt. Dabei verläuft der weitere Weg oberhalb der Strecke mit einem schönen Blick auf die Strecke und im besten Fall auf gerade vorbeifahrende Züge. Ein paar hundert Meter geht es nun oben neben der Strecke weiter, dann schwenkt der Wanderweg kurz nach links und man hat keinen Blick auf die Bahntrasse. Diesen Blick bekommt man aber nach kurzer Zeit wieder, sobald der Wanderweg steil nach unten führt.

Es geht vorbei an einem einsamen Haus, das hier in der Landschaft steht: Es ist das Haus, in dem sich das Ghega-Muesum befindet, das dem Erbauer der Semmeringbahn gewidmet ist. Dahinter ist das beeindruckende Kalte-Rinne-Viadukt zu sehen. Vielleicht das bekannteste Viadukt der Semmeringbahn, denn es ist doppelstöckig, das heißt, es gibt zwei Reihen an Viaduktbögen übereinander. Auch dieses Viadukt unterquert der Wanderweg.

Der Passagier - Carl Ritter Von Ghega
Carl Ritter von Ghega, der Erbauer der Semmeringbahn, ist untrennbar mit dem Ort verbunden.

Am Berg entlang oder durchs Tal?

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Wer es eilig hat und wenn einem der Fahrplan des nächsten Regionalzuges im Nacken sitzt, der läuft direkt auf der kaum befahrenen asphaltierten Straße im Talboden weiter Richtung Breitenstein. Zu empfehlen ist aber noch ein weiterer kleiner Umweg, in gleicher Richtung, aber am Berghang.

Neben dem Viadukt steigt man steil bergauf, bis man etwa auf Höhe der Bahntrasse ist. Diese verläuft hier im gut 300 m langen Polleros-Tunnel. Vorbei geht es an zwei „Tunnelfenstern“, die beim Bau des Tunnels als Arbeitsstollen genutzt wurden. Der Zugang ist leider wegen Steinschlaggefahr gesperrt, darauf weisen Schilder hin. Offenbar war es hier ursprünglich möglich, etwas in den Tunnel hineinzuwandern.

Weiter geht es parallel zur Trasse bis zu der Stelle, an der der Tunnel endet. Hier hat man einen beeindruckenden Blich auf das Portal und das Krausel-Klause-Viadukt und den dahinter liegenden kleinen Krausel-Tunnel. Am Viadukt führt ein steiler Steig wieder bergab auf die Straße im Talboden.

Ankunft in Breitenstein

Die letzten paar hundert Meter läuft man nun auf dieser Straße, passiert das Ortsschild von Breitenstein und dann geht es noch ein letztes Mal wieder bergauf zur Bahntrasse, durch den verschlafenen kleinen Ort, vorbei am Feuerwehrhaus und am Gemeindeamt, um dann den Bahnhof zu erreichen. Es wirkt verlassen, aber im Bahnhofs­gebäude gibt es für kühle Tage einen sauberen und gepflegten Warteraum.

Eigentlich hat man Glück, wenn man zeitlich gesehen so am Bahnhof ankommt, dass bis zur Abfahrt des nächsten Regional­zuges noch ein bisschen Zeit ist. So kann man die vorbei­fahrenden Güter- und Fernverkehrszüge beobachten und hört zwischendurch einen Bergbach fließen – idyllisch! Apropos hören: Durch den Streckenverlauf der Semmeringbahn hört man talfahrende Züge hier in Breitenstein recht frühzeitig, da sie dann noch am gegenüber­liegenden Hang fahren. Dann verschwinden sie auch akustisch in den Seiten­tälern und Tunnels, sind teilweise zwischendurch wieder zu hören und dann wieder gar nicht, obwohl der Zug immer näher kommt. Das ist auch ein spannendes akustisches Erlebnis.

Irgendwann endet dann auch der schönste Aufenthalt auf einem solch idyllisch gelegenen Bahnhof und es geht mit dem Regional­zug wieder zurück nach Semmering.

Lesen Sie mehr über den Ort und den Mythos Semmering in:
„Der Passagier“ Ausgabe 4 – Sommerfrische

Niklas Hoth

Über den Autor

Den Wahl-Kölner Niklas Hoth darf man zweifelsohne einen erfahrenen Zugreisenden nennen. Wenn Niklas Hoth nicht mit dem Zug reist, arbeitet der ausgebildete Journalist für den Radiosender WDR2. Auf seinem Blog www.auf-schiene.de berichtet er regelmäßig von seinen zahlreichen spannenden Reisen auf Schienen.