Speisen auf Gleisen
Der slowakische Speisewagen
Etwas historisch anmutend wirken slowakische Fernzüge bei der
Einfahrt, denn schnelle Triebzüge wie sie als ICEs in Deutschland verbreitet, sind in der Slowakei fast noch nicht zu finden.
So verbinden die beiden größten Städte des Landes Bratislava und Kosice lange Reisezüge bestehend aus einer Lok und bis zu 10 „klassischen“ Reisezugwagen. Eine Fahrt auf dieser Hauptachse dauert in den schnellen IC-Zügen viereinhalb Stunden, in den langsameren langen „Express“- Zügen eine Stunde länger. Alle durchgehenden Züge auf der Relation führen einen Speisewagen, indem man die landschaftlich reizvolle Landschaft entlang des Tatragebirges oder den Seen um Liptovský Mikuláš am besten genießen kann.
Der Autor dieser Geschichte verbrachte auch schon mehrere Stunden im Speisewagen begonnen im Februar 2015 als er durchgefroren nach einer eiskalten Schneetour im Tatragebirge erstmals diese ganz andere Speisewagenkultur kennenlernte. Nach der Bestellung von Bratkartoffeln und eines Corden-Bleus und hörte man nicht etwa eine Mikrowelle, wie in westeuropäischen Speisewagen üblich, sondern aus der Küche kamen zunächst Klopfgeräusche und wenig später hört man es, wie es in einer Pfanne bruzzelte. Wenige Minuten später wurde dann auf dem Tisch ein frisch gebratenes heißes Gericht serviert. Eine bleibende Erinnerung, die wenige Jahre später mit Freunden zu mehreren kulinarischen Genussreisen durch die Slowakei führten.
Immer ein Erlebnis
Bei diesen Fahrten kam es immer wieder zu neuen Erlebnissen, sei es Freunde aus Deutschland, die man plötzlich und unerwartet im slowakischen Speisewagen trifft oder eine Bekanntschaft mit einem Gerichtsmediziner, der sich einerseits darüber freute, dass eine Gruppe von Eisenbahnfreunden sein Land als Urlaubsort aussuchte, aber er anderseits auch wieder die Gelegenheit hatte, seine Deutschkenntnisse zu nutzen. Leider hat die Corona-Krise auch nicht vor dem Speisewagen stopp gemacht.
Auf der Suche nach Individualität
Ein moderner Touch ist eingezogen, mit welchem auch teils vorgefertigte Speisen auf dem Speiseplan Einzug erhalten haben. Was nun nicht heißen soll, dass die Gerichte nicht auch wie in deutschen Speisewagen gut schmecken, aber ein bisschen ist der individuelle Charakter jedes Speisewagenkochs verloren gegangen.
Empfehlenswert sind daher immer die Speisen, die die Möglichkeit der Individualität noch bieten und bei denen es noch aus der Küche heraus wie bei meiner ersten Fahrt bruzzelt. Hier ist am Morgen das Omelett und zu Mittag/Abend das Schnitzel auf alle Fälle zu empfehlen. Etwas das auf alle Fälle geblieben ist und weshalb sich der Speisewagen in der Slowakei auch immer noch lohnt, ist ein herzlicher Empfang durch einen schön gedeckten Tisch mit Gläsern und das liebevolle Personal, meist auch Familien, denen im Rahmen eines Frainchaise einzelne Speisewagen und Zugläufe zugeteilt sind und die diese wie ihr eigenes Restaurant, nur auf Schienen, betreiben.
Der slowakische Speisewagen
Verbindung:
Gesamtstrecke Kosice–Bratislava, davon finde ich Poprad-Tatry–Žilina am schönsten
Speisekarten-Empfehlung:
Die Aktionsgerichte sind immer empfehlenswert und ein frisch gebratenes Rührei, dass zu jeder Tageszeit geht
Besonders ist…
der schöne Abschluss jedes Speisewagen-Besuchs mit einem Teller Palatschinken. Ein schöner süßer Ausklang
Sonstiges:
Es empfehlt sich zwischen Poprad–Tatry und Zilina ein Sitzplatz auf Nordseite, zwischen Poprad–Tatry und Kosice auf Südseite
Der Autor:
Dirk Wittmann ist leidenschaftlicher Bahnfotograf und Bahnreisender.
Mit der Gestaltung von Zügen hat er sein Hobby und Traum zum
Beruf gemacht.
Der ungarische Speisewagen
Erst seit Dezember 2018 gibt es diese direkte Verbindung zwischen Österreich und Rumänien. Wer keine Zeit für die zehn Stunden und 41 Minuten hat, die der Zug auf den rund 660 Kilometern nach Cluj zurücklegt, kann auch einfach nur bis Budapest fahren. Ein Frühstück oder Mittagessen im ungarischen Speisewagen ist auf jeden Fall drinnen!
Speisend über Grenzen hinweg
Züge fahren auf Schienen, bilden aber auch Brücken: Sie setzen sich elegant über Grenzen hinweg und bringen uns in andere Länder und Landschaften. Das gilt besonders für den EC 143, der von Wien via Budapest nach Cluj-Napoca fährt. Ein Speisewagen der Utasellátó fährt die ganze Strecke mit. Der Kellner begrüßt uns mehrsprachig: „Guten Tag, jó napot kívánok, what do you want?“
Wir sind eine hungrige Reisegruppe und bestellen fast alles, was die Speisekarte hergibt: Croissants, Semmeln mit Käse und Schinken, Müsli, Omlette. Auch eine Portion Kaiserschmarren darf nicht fehlen. Und der Kaffee, fast hätten wir auf den Kaffee vergessen! Währenddessen durchquert der Zug die flache Landschaft.
Schnellkurs Ungarisch – Die Speisekarte ist unser Übungsbuch
In den Staub des Fensters hat jemand ein Herz gemalt, das besonders gut zur Geltung kommt, wenn wir ein Feld passieren – und wir passieren viele Felder bis Budapest. Auf einmal sind wir in Ungarn: Die politische Grenze ist überwunden. An der sprachlichen müssen wir dagegen noch arbeiten. Ungarisch zählt zu den finno-ugrischen Sprachen und klingt nur dann vertraut, wenn man schon oft in Ungarn war (oder in Wien lebt, wo das Ungarische auch oft zu hören ist). Immerhin: Die wichtigsten Vokabeln im Speisewagen halten sich kurz. Víz heißt Wasser, Kávé Kaffee, Bor Wein und Sör Bier. Leider ist der Zug von Wien nach Cluj nicht barrierefrei.
Da gibt es wirklich noch einiges zu tun! Dank des Frühstücks im Speisewagen haben wir aber neue Kraft dafür. Indulás!
Der ungarische Speisewagen
Verbindung:
Der EC 143 fährt täglich von Wien nach Cluj-Napoca. Abfahrt in Wien: 10:42, Ankunft in Budapest: 13:19, Ankunft in Cluj-Napoca: 22:23
Empfehlung:
Die ganze Strecke bis Cluj fahren und im Speisewagen frühstücken, mittagessen und abendessen. Besonders großen Anklang finden die frisch zubereiteten Burger. Auch viele vegetarische und vegane Speisen sind im Angebot!
Sonstiges:
Den Bahnhof Budapest Keleti bewundern, der einer Kathedrale gleicht. Ausschau nach Fallblattanzeigen halten. Einen Ohrwurm von dem ungarischen Bahnhofs-Jingle bekommen. Ein Herz in den Staub malen.
Die Autorin:
Eva Maria Wohlfarter ist in einer Eisenbahner-Familie aufgewachsen und im Zug hauptgemeldet. Auf dem Blog Stadtstreunen.at hält sie ihre Eindrücke fest.
Der polnische Speisewagen
In Italien isst man Pizza und Pasta. In Tschechien isst man Knödel, sogar im Speisewagen. Aber was isst man in Polen? Begründete Klischees über die Essgewohnheiten dieses Landes sind westlich von Oder und Neiße nicht ganz so verbreitet. Aber wer sich ein wenig mit dem Land der begrenzten Unmöglichkeiten beschäftigt, der kennt den deftigen Krauteintopf „Bigos“ sowie Gerichte aus dem Dreiklang Fleisch – Kartoffeln – Rohkost.
Hier sticht gutes Essen guten Service aus
Der riesige Bigos-Blechtopf, der in polnischen Schnellzügen noch bis in die Nuller-Jahre auf einem Gasherd der roten Barwagen köchelte und dessen Inhalt, aus einer Kelle auf den Teller geschöpft, dem Kunden nebst ein paar Scheiben Brot auf einen Plastikteller ausgegeben wurde, ist mitsamt der spartanisch ausgestatteten Fahrzeuge und ihren Stehtischen inzwischen verschwunden. Das Prinzip des Bestellens an der Theke hat sich in vielen innerpolnischen Speisewagen jedoch bis heute gehalten, auch ist Einweg-Geschirr zumindest im Binnenverkehr noch recht verbreitet. Die Speisekarte sowie die Ausstattung der rollenden Restaurants kommt anno 2023 dagegen deutlich gediegener daher. Statt Bigos wird polnische Küche mit – genau: Fleisch, Kartoffeln und Rohkost oder gefüllte Piroggen angeboten. Verzehrt wird die am Tresen abgeholte Mahlzeit dann jedoch sitzend an Tischen. Aus den vormaligen Barwagen wurde dabei leider die Tradition resp. Unsitte übernommen, dass Tisch- und Fensteranordnung nicht wirklich gut zueinander passen – die Wandfensterplätze des deutschen ICEs lassen grüßen!
Ein richtiger Speisewagen
„Richtige“ Speisewagen mit Bedienung und einer umfangreicheren Speisekarte findet man bei der polnischen Eisenbahn vornehmlich in internationalen Zügen, etwa zwischen Berlin und Warschau. Auch hier gibt es ein Essensangebot zu fairen Preisen und zumindest in Teilen frisch gekochten Gerichte. Ein Frühstück mit Rührei und Brot ist für umgerechnet etwa 5 Euro zu haben, mittags bekommt man Klassiker aus Schweineschnitzel, Salzkartoffeln und Rohkostbeilage für etwa 9 Euro oder gefüllte polnische Piroggen für 6,50 Euro. Ein Apfelkuchen zum Nachtisch rundet die Mahlzeit für etwa 3,50 Euro ab.
Die Atmosphäre in den Wagen ist entspannt, das Sprachengewirr in den Eurocitys erinnert an die überfahrene Grenze zwischen dem germanischen und dem slawischen Sprachraum, und etwaige Sprachschwierigkeiten des nicht immer deutsch-kundigen Personals werden auf gut polnisch pragmatisch weg-improvisiert. Ein richtiger Speisewagen eben, kein „Bord-Restaurant“.
Wer dies einmal ausprobieren, aber nicht ganz so weit fahren möchte: Auch die knappe Stunde zwischen Frankfurt/Oder und Berlin reicht zumeist aus, um auf 80 Kilometern Fahrt durch die brandenburgischen Wälder in die deftige, aber schmackhafte Küche des Nachbarlandes einzutauchen.
Der polnische Speisewagen
Verbindung:
Die im Verkehr mit Deutschland und Österreich befahrenen Speisewagen-Routen sind landschaftlich wenig spektakulär. Man kann sich also voll auf das Essen konzentrieren. Allenfalls die Verbindungen Berlin bzw. Wien - Danzig/Ostseeküste (EC „Gedania“ 58/59 und EC „Sobiesky“ 106/107) machen auf ihren letzten Kilometern durch Pommern Appetit auf den Norden.
Speisekarten-Empfehlung:
Empfehlenswert sind die frisch zubereiteten, typisch polnischen Gerichte wie gefüllte Piroggen oder Schweinekotelett mit Kartoffeln und Rohkost.
Der Autor:
Heiko Focken ist Verkehrsplaner für den Nahverkehr in seiner Wahlheimat Baden-Württemberg, hat zwei Söhne und ist leidenschaftlicher Zugfahrer, auch wenn ihm die Eisenbahn diese Leidenschaft zu leben nicht immer einfach macht.
Weitere Speisewagen-Portraits lesen Sie in
Ausgabe 6 – „Speisen auf Reisen“
ab Juni 2023 im Handel oder über unseren Webshop erhältlich.