Eine Weintour

Mit Bahn & Rad zu den Winzern nach Rheinhessen

Text & Fotos: Karina Dinser-Nennstiel und Adrian Dinser
Die Deutsche Bahn wählte drei Weine für die Bordgastronomie von jungen Winzern, die sich in einem Radius von wenigen Kilometern in Rheinhessen wiederfinden. Als der Passagier davon Wind bekam, sprang er kurz entschlossen in den Zug und wollte diese Winzer persönlich kennenlernen, um mehr über sie und ihre Vorliebe für Riesling, Grauburgunder, Rosé & Co. zu erfahren. Über die Begegnung mit sympathischen Weinmacher und wie eine Radtour durch Rheinhessen verlaufen kann.
Wein-Radtour

An jenem Samstag im April, morgens um 7:30 Uhr ist der ICE schon gut gefüllt. Im Speisewagen bekommen wir an einem 4er-Tisch zwei freie Plätze und ordern beim freundlichen Kellner Kaffee und ein Französisches Frühstück. Die Sonne scheint und wir sind guter Dinge. Unser Programm für den Tag ist straff. Auf unserer Liste stehen drei Jungwinzer, denen wir einen Besuch abstatten werden, denn wir möchten uns einen Eindruck verschaffen, wo die neuen Weine im DB-Bordrestaurant herkommen. Heute sind wir mit dem Zug und mit dem Rad unterwegs. Ob das klappen wird? Google Maps meint grundsätzlich „Ja“. In Mannheim wechseln wir das Gleis und steigen in die S-Bahn, die uns über Ludwigshafen nach Worms bringt. Schnell gelangt man mit dem Nahverkehr nach Rheinhessen. Bei Zweirad Gölz in Worms leihen wir uns Räder aus, wohlgemerkt ohne E-Antrieb. Noch schnell den Sattel richten und los gehts Richtung Norden. Ein hilfsbereiter Einheimischer, der uns anspricht, als wir uns an einer Kreuzung suchend umschauen, zeigt uns den richtigen Weg. Auf ebenem Terrain radeln wir an Kleingärten und der zart grünen Vegetation vorbei. Über Abenheim geht es nach Westhofen.

Mit Bahn & Rad zu den Winzern nach Rheinhessen
Den Hauptbahnhof Worms erreicht man von Mannheim aus in knapp 30 Minuten (o.l.) / Zu Beginn unseres Ausflugs ist der Radweg noch gemütlich und eben (u.l.) / Salute! Ein Hoch auf die neuen Weine im DB‑Speisewagen (r.)

Authentisch und bodenständig – so würden wir den jungen Mann mit den dunklen Augen beschreiben, der uns so herzlich begrüßt. Auch seine Frau Carolin mit Baby Johann lernen wir kennen. Seine Mutter Ingrid verköstigt uns mit einer Käseplatte – hungrig wie wir nach der Fahrradtour sind, greifen wir erst mal zu. David Spies öffnet eine Sektflasche – auf dem Etikett der Sarazenenturm des Kirchturms im Ort. Wow, dieser Tropfen ist sagenhaft. Wir kosten noch den Rosé und die Steinschleuder (ein Cuvée aus den steinigsten Weinbergslagen von Dittelsheim und Westhofen) und sind schier begeistert. Später geht es noch hinunter in den Weinkeller. Unter dem Innenhof liegen zwei große Keller, der ältere wurde 1849 gebaut. Seine Großeltern haben den Hof in den 50er-Jahren übernommen. Die ältesten Holzfässer sind von 1886.

Ein kleines Stresslevel ist gut für die Weinstöcke, somit entstehen kleinere, aber vollmundigere Trauben.

David Spies lädt uns noch zu einer kleinen Spritztour in den Weinberg ein. Wir steigen in den VW-Transporter mit, der sicher schon einige Jahrgänge miterlebt hat. Gleich oberhalb von Dittelsheim-Heßloch sind wir schon am Ziel, dem Kloppberg. Als wir uns umdrehen eröffnet sich ein weiter Blick. Die Aussicht ist fantastisch. Im Norden sieht man den Taunus, sogar die Skyline von Frankfurt erspäht man in der Ferne. Im Südwesten liegt die Pfalz und im Osten der Odenwald. 22 Hektar umfassen die Weinberge von David Spies, 50 Parzellen, die sich an verschiedenen Stellen befinden. Seine Weine haben Bioqualität – von Insektiziden hält der Jungwinzer nichts. Beinahe alle Winzer im Ort setzen auf Pheromonfallen, erzählt David Spies.
Weil die Weinparzellen der Weinbauern eng beieinander liegen, müssen alle an einem Strang ziehen. Ein sanfter Umgang mit dem Ökosystem ist dem Jungwinzer besonders wichtig. Wir möchten wissen, wie es mit künstlicher Bewässerung aussieht. Davon hält David Spies genauso wenig: „Ein kleines Stresslevel ist gut für die Weinstöcke, somit entstehen kleinere, aber vollmundigere Trauben.“

Weingut David Spies
INFO

Weingut David Spies

Rebsorten: Riesling, Burgunder (Grauburgunder und Chardonnay), Sauvignon Blanc, Merlot und Cabernet Sauvignon

Veranstaltung: Der Weinlese-Erlebnis-Tag des Weinguts findet am 16. September 2023 statt. Mit Anmeldung.

Öffnungszeiten: Freitag 14 – 18 Uhr / Samstag 9 – 17 Uhr

Adresse: Hauptstraße 26, 67596 Dittelsheim-Heßloch

Weitere Infos finden Sie unter: www.weinfuersleben.de


David Spies ist derzeit mit einem frisch-fruchtigen Riesling im DB‑Bordrestaurant vertreten.

Nächster Halt:

Weingut Stefan Winter

Weingut Winter

Modern und mit großen Bäumen im Hof präsentiert sich das Weingut oberhalb von Dittelsheim in traumhafter Lage. Von den Panoramafenstern in der Vinothek schaut man direkt in den Weinberg, wo unzählige Gänseblümchen und Löwenzahn blühen. Wir unterhalten uns mit Stefan Winter, der 2010 das Weingut der Eltern übernommen hat. Die Familie ist schon seit 1469 dem Wein verbunden. Anfangs nur als Traubenlieferanten. Dann begann sein Großvater selbst Wein herzustellen, sein Vater intensivierte es. Stefan Winter hat den elterlichen Betrieb in neue Bahnen gelenkt. Nachhaltigkeit ist ihm sehr wichtig:
Auch wenn seine Weine kein Biosiegel tragen, baut er seit 2007 die Trauben rein biologisch an. Ihm ist es wichtig sich treu zu bleiben. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Grauburgunder. Stefan Winter erleben wir als einen neugierigen und aufgeschlossenen Winzer, der gerne andere Weine trinkt und dies als Fortbildung ansieht.

INFO

Weingut Winter

23 Hektar Weinberge

Rebsorten:
Riesling, Grauburgunder, Weißburgunder, Chardonnay, Spätburgunder

VDP Weingut

Öffnungszeiten:
Montag – Freitag (8 – 12 & 13 – 18 Uhr), Samstag (10 – 16 Uhr)

Adresse: Heilgebaumstraße 34, 67596 Dittelsheim-Heßloch

Weitere Infos finden Sie unter: weingut-winter.de


Stefan Winter ist derzeit mit dem charaktervollen Grauburgunder im DB‑Bordrestaurant vertreten.

„Dann noch gute Fahrt, jetzt kommt erst nochmal ein steiler Anstieg nach Bechtheim“ ruft uns Stefan Winter zum Abschied hinterher, als wir uns aufs Rad schwingen. Weiter geht es zum dritten Winzer. Als an der Hauptstraße das Schild 8 % Steigung auftaucht, springt beim Rad von Adrian die Kette herunterspringt und verhakt sich. Etwas ratlos hantieren wir an der Kette rum, aber nichts tut sich. Wir rufen beim Weingut an, erreichen aber niemanden und sprechen auf den Anrufbeantworter. Nun klingeln wir bei einigen Häusern in der Straße. Bei einer freundlichen älteren Dame haben wir Glück und sie drückt uns einen Schraubenzieher in die Hand. Die Rheinhessen sind ein hilfsbereites Völkchen, stellen wir fest. Mit etwas Geduld bekommen wir das Rad tatsächlich wieder in Gang. Das hat uns eine gute halbe Stunde Zeit gekostet.
Der Himmel hat sich mittlerweile zugezogen und in der Ferne ziehen erste Regenschauer herüber; es beginnt zu tröpfeln. Wir schieben unsere Räder die restlichen Meter zur Kuppe hinauf. Danach sausen wir hinunter, in Richtung Bechtheim.

Bastianshauser Hof

Weingut Sebastian Erbeldinger

In der Vinothek auf dem Bastianshauser Hof brennt noch Licht als wir eintreten. Hinter dem Tresen begrüßt uns Ilke Erbeldinger, die Mutter von Sebastian Erbeldinger, der heute leider verhindert ist. Sie ist die gute Seele des Hauses – herzlich und gastfreundlich empfängt sie uns, obwohl wir viel zu spät sind. „Kaffee, einen Kuchen?“ Wir waschen unsere ölverschmierten Hände und nehmen auf der gemütlichen Eckbank in der Vinothek Platz. Wir entschuldigen uns tausend Mal die Verspätung. Es stellt sich heraus, dass wir im falschen Weingut angerufen haben, denn es gibt drei Erbeldinger Weingüter in Bechtheim. Ilke erzählt uns ausführlich die Familiengeschichte, während wir den frischgebackenen Rotweinkuchen. Ihr Mann Ralf Erbeldinger kommt hinzu und begrüßt uns ebenso freundlich. Er führt uns in den Keller, wo unter anderem riesige Holzfässer lagern. Zwei Holzfässer fallen uns besonders auf, die haben die Großeltern zur Geburt der Kinder geschenkt, erklärt Ralf Erbeldinger.

Ilke und die Herzlichkeit der Rheinhessen

Zurück in der Vinothek erzählt Illke Erbeldinger von der eingestellten Bahnstrecke, die direkt am Haus vorbeiführte. Etwa 50 Meter die Straße hinunter steht noch das Haus vom ehemaligen Monzernheimer Bahnhof. Draußen regnet es. Ilke Erbeldinger bietet an uns nach Osthoven zum Bahnhof zu fahren. Im VW-Transporter finden auch die Fahrräder Platz. Wir nehmen ihr Angebot dankend an. Ilke hat viel Elan uns Ihre Heimat zu zeigen. Wir fahren entlang der alten stilgelegten Trasse, die nun von Büschen überwuchert ist und kreuzen den Jakobsweg. „So und jetzt zeig ich Euch noch die romanische Basilika von Bechtheim und dann noch die Brunnen, denn Bechtheim wird auch die Stadt der Brunnen genannt“, erklärt uns Ilke Erbeldinger. Nun fahren wir etwas abenteuerlich durch die Weinberge entlang eines weiteren Stücks der ehemaligen Zugtrasse, aber tiefe Schlaglöcher und schlammige Wege erschüttern sowieso keinen Winzer. Dann erreichen wir Osthofen und den Bahnhof.

Eis? Geht immer!

Hier gibt es eine ausgezeichnete Eisdiele im Bahnhofsgebäude, da wolle Ilke Erbeldinger jetzt unbedingt noch hin und ihrer Familie etwas mitbringen. Als wir an der Theke stehen, bietet uns Frau Erbeldinger das du an: „Ich bin Illke, und beim nächsten Mal, wenn ihr wieder in der Gegend seid, trinken wir darauf.“ Sind diese Rheinhessen sympathisch, denken wir heute zum wiederholten Mal und nehmen dankend an. Ilke bestellt Eis mit Sahne, denn Sahne muss immer sein. Wir bedanken uns bei ihr für die Gastfreundschaft und die tolle Tour. Auf halben Weg zu ihrem VW-Transporter dreht Illke nochmal um und kommt zu uns zurück: „Mir fiel gerade ein, mein Großvater hat immer gesagt: „Eis ist nicht gut – aber viel Eis!“

Weingut Sebastian Erbeldinger
Weingut Sebastian Erbeldinger
INFO

Bastianshauser Hof –
Erbeldinger

Öffnungszeiten:
Montag – Freitag: (8 – 12 & 13 – 18 Uhr), Samstag (10 – 16 Uhr)

Adresse: Bechtheim-West 18, 67595 Bechtheim-West

Weitere Infos finden Sie unter: www.bastianshauserhof.de


Sebastian Erbeldinger ist in den Sommermonaten mit dem fruchtig-aromatischen Rosé im DB‑Bordrestaurant vertreten.

Was für ein Tag

Die Rückfahrt vergeht dann wie im Flug. Zurück in Worms geben wir unsere Fahrräder ab und sind binnen einer halben Stunde in Mannheim. Wenige Minuten später sitzen wir wieder an der Stelle, wo heute Morgen unsere Fahrt begonnen hat, im Speisewagen des ICE. Wir bestellen etwas zu Essen und dazu einen Rotwein Cuvée trocken von Winzer Christian Hirsch, aus Württemberg. Mittlerweile reist im DB-Speisewagen der trockene Cabernet Sauvignon von Heinrich Gies (www.heinrich-gies.de) aus der Pfalz mit.
Zu gerne hätten wir der Winzergenossenschaft Vier Jahreszeiten in Bad Dürkheim noch einen Besuch abgestattet, aber dafür war der Tag dann doch zu kurz und Rheinhessen schlichtweg zu hügelig. Ganz er- und gut gefüllt von diesem ungewöhnlichen Ausflug nach Rheinhessen, bei dem wir eine Menge über Land und Leute kennengelernt haben, stoßen wir auf die Winzer an.

Mit Bahn & Rad zu den Winzern nach Rheinhessen