Im Gespräch mit der Batiar Gang

Musikalische Einladung: „Go East!“

Text: Daria Radler
Fotos: Batiar Gang
Sie singen auf Englisch, Ukrainisch und Russisch und ehren damit nicht nur die nationalen und kulturellen Wurzeln eines ihrer Gründungsmitglieder: Die Leipziger Batiar Gang verkörpert das Bündnis und das Gefühl inter­kultureller Gemeinschaft. 2016 brachen sie erstmals mit dem Zug auf – schon in diesem Sommer steht die nächste Reise an.
Der Passagier hat bei Bandmitglied Sebastian nachgehakt: wie alles begann und wo die Reise noch hingeht – musikalisch und mit dem Zug – und was diese Art des Reisens so besonders macht.
Der Passagier - Batiar Gang

Der Passagier: Wir geben es zu – euer Bandname hat bei uns durchaus für ein bisschen Verwirrung gesorgt. Klären wir das Wichtigste also gleich zu Beginn: Welche Bedeutung verbirgt sich hinter eurem Namen?

Sebastian: Der Begriff Batiare bezieht sich auf eine Gruppe – eine Art Mafia – aus dem Osten Europas, die in den 20er Jahren im ukrainischen Lviv unterwegs war. Man könnte sagen, sie haben den Reichen genommen und den Armen gegeben. Batiare waren bekannt für ihren Dandy-Style und sehr coole Klamotten. Wir sind auf diese Geschichte gestoßen und dachten uns: Cool irgendwie! Das ist toll, dass es sowas gab und schade, dass es ausgestorben ist. Um das ein bisschen zu erinnern und zu würdigen und weil es irgendwie lustig ist, haben wir uns den Namen ausgesucht.

Wir haben so viele Konzerte gegeben und so viele Menschen kennen­gelernt, die zu einer Art Großfamilie geworden sind, die ständig mitzieht und diese Musik mit uns gemeinsam lebt.

Der Passagier: Was sind die 3 Begriffe, die du spontan mit euch verbindest?

Sebastian: Fernweh. Ausgelassene Menschen, die wild tanzen und zum Teil auch Tränen in den Augen haben. Ein Gefühl, das weit über die Musik hinausgeht. Ich kann gar keinen Begriff dafür nennen. Es ist ein Sammelsurium von Begriffen; neun Menschen, die zu einer Art Familie zusammengewachsen sind. Wir haben so viele Konzerte gegeben und so viele Menschen kennengelernt, die zu einer Art Großfamilie geworden sind, die ständig mitzieht und diese Musik mit uns gemeinsam lebt. Es ist viel mehr geworden als einfach nur eine kleine Band, die Lust hat, die Musik aus Osteuropa nachzuspielen – es ist ein ganzes Projekt geworden. Ein Projekt. Ich glaube, das wäre dann auch der dritte Begriff.

Der Passagier - Batiar Gang

Der Passagier: Wie habt ihr euch als Gruppe zusammengefunden?

Sebastian: Unsere Sängerin hat im November 2014 eine Anzeige in Leipzig geschaltet und dort haben sich eigentlich alle, die mitspielen, an nur einem Tag gefunden. Wir haben uns zwei Tage später in einer Kneipe getroffen, Musik angehört, Bier getrunken und festgestellt, dass eine gemeinsame Band genau das ist, worauf wir Lust haben.

Der Passagier: Die Rhythmen des Balkans sind in all euren Liedern präsent. Ihr singt außerdem auf Englisch, Ukrainisch und Russisch. Woher kommen diese spannenden Einflüsse?

Sebastian: Die Einflüsse und die Liebe zum Osten stecken in jedem von uns. Ganz klar forciert hat das unsere ehemalige Sängerin, die selbst aus der Ukraine kommt. Sie sagte sich immer, dass sie dort Wurzeln hat und das selber mal anfassen muss – dass sie diese Musik mal singen muss. Auch als Band war das eine super Idee. Wir haben angefangen, die ersten Volkslieder nachzuspielen und das auf unsere Art und Weise. Jedes Bandmitglied bringt seine eigenen Einflüsse ein, die da mit reinspielen.

Der Passagier - Batiar Gang

Der Passagier: 2016 seid ihr erstmals gemeinsam mit dem Zug aufgebrochen. Eure Reisen führten euch seither durch Serbien, Rumänien und die Ukraine. Woher kam die Idee, die Musik und das Bahnreisen zu verbinden?

Sebastian: Irgendwann haben wir uns gesagt: Wir können das nicht einfach immer nur nachspielen und uns das nur aus der Ferne angucken, sondern wir müssen das auch erleben. Und dann kam die Idee: Hey komm, wir steigen einfach mal in den Nachtzug nach Budapest! Die Prämisse war, möglichst nah an den Leuten zu reisen, die Musik und die Kultur vor Ort kennenzu­lernen. Züge sind das Reise­mittel, bei dem am meisten Kommunikation passiert, bei dem man das Reisen am meisten erlebt – wo man, wenn man sich nicht auf das Steuer konzentrieren muss, einfach aus dem Fenster schaut. Und man trifft immer wieder Menschen und kommt in Gespräche. Man kann sich in einem Zug viel besser auf das Ankommen vorbe­reiten, weil immer wieder neue Menschen ein- und aussteigen und man merkt, wie sich das Publikum im Zug verändert.

Züge sind das Reisemittel, bei dem am meisten Kommunikation passiert, bei dem man das Reisen am meisten erlebt.

Der Passagier: Reisen mit bis zu neun Personen und Instrumenten… Wow. Das stellen sich viele wahr­scheinlich ganz schön stressig vor.

Sebastian: (Lacht) Wenn man zu neunt mit Rucksäcken, Zelten, Schlafsäcken, Isomatten, Instrumenten – Schlagzeug, Gitarren, Saxophonen, mit allem drum und dran – Zug fährt, ist das nicht unbedingt ein Reisen in der ersten Klasse, sondern durchaus ein bisschen chaotisch, das stimmt.

Der Passagier: Auch unterwegs in der Bahn wird immer wieder musiziert. Wie sind die Reaktionen der Mitreisenden?

Sebastian: Die meisten fassen am Anfang manchmal gar nicht, was da eigentlich passiert. Aber es endet in der Regel immer wieder damit, dass alle Leute tanzen.

Der Passagier - Batiar Gang
Abenteuer unterwegs: Zugreisen mit Sack und Pack.

Der Passagier: Was hat euch unterwegs am meisten beeindruckt?

Sebastian: Einer der lustigsten Momente begann, als wir recht planlos in Vladičin Han in Serbien aus dem Zug ausstiegen. Wir wollten in die Musik eintauchen und die Menschen vor Ort kennenlernen und haben uns einfach am Bahnhof hingestellt und gespielt.
Es hat keine fünf Minuten gedauert und es stand der Veranstalter von einem Festival vor uns, was fünf Tage später starten sollte. Und er meinte: „Hey, ihr seid toll, ihr spielt mit auf meinem Festival und bis dahin könnt ihr bei uns im Freibad zelten.“

Der Passagier: Gesagt, getan?

Sebastian: Wir haben daraufhin im Freibad gezeltet – das war sehr witzig. Nachts hatten wir das Freibad für uns und tagsüber wurden wir von serbischen Kindern belagert. Wir haben dort geübt und hier auch unseren gemeinsamen Kaffee mit Boban Marković, dem König der Balkanmusik in Serbien, getrunken. Das ist der einer der bekanntesten Musiker dieser Richtung. So etwas wie der Michael Jackson unter den Balkanmusikern.

Der Passagier - Batiar Gang
Batiar Gang und Boban Marković

Der Passagier: Das ist ja der Wahnsinn!

Sebastian: (Lacht) Solche Momente gab es viele! Wir haben einfach viele, viele Menschen kennengelernt. Einer der größten Momente in meinem Musikerdasein war, als Bojan Krstić uns in sein Haus mitten im Roma-Viertel einlud. Er hat uns seine goldenen Trompeten präsentiert und uns ganz herzlich bewirtet. Abends haben wir auf seiner Terrasse gespielt. Wir waren einfach mittendrin. Um uns herum tanzende Kinder und schunkelnde Omas –alle haben mitgesungen und geklatscht. Das war ein wahnsinniges Erlebnis, diese Kultur so hautnah zu spüren und dort vor denen zu spielen, obwohl ja eigentlich sie die Meister der Musik sind und nicht wir.

Der Passagier: 2018 erschien euer erstes Album, „Go East” – ein Aufruf, dem ihr selbst schon im Juli erneut folgen werdet. Diesmal geht’s nach Bulgarien und Griechenland. Wie geht es musikalisch für euch weiter?

Sebastian: Wir sind fleißig! Wir haben ganz viele neue Titel, die wir ab April live spielen und ausprobieren werden. Geplant ist, im nächsten Winter ins Tonstudio zurück­zukehren und das nächste Album aufzu­nehmen, das randvoll mit traumhaften Songs und ganz vielen neuen Reise­emotionen sein wird. Es ist eine kleine Oper dabei, es sind wilde Taktwechsel dabei, es ist musikalisch wesentlich anspruchsvoller. Und es wird wieder sehr, sehr bunt und abwechslungs­reich – es wird wieder eine wilde Reise.

Der Passagier: Wir sind schon jetzt gespannt!

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