Nächster Halt: Zukunft – Zu Besuch im Ideenzug
Mein Herz schlägt schneller als sich die Glastüren geräuschlos zur Seite schieben. Wie ein auseinanderstiebender Vorhang geben sie den Blick auf die „Bühne“ frei. Vor mir eröffnet sich der weitläufige und hell beleuchtete Innenraum des Einstiegsbereiches. Nur noch ein Schritt trennt mich von der Zukunft des Zugfahrens. Ich trete ein – und bin da, bzw. drin… Im Ideenzug der Deutschen Bahn, der sich in einer Industriehalle in Oberursel am Rande des Taunus befindet – nur siebzehn S-Bahnminuten hinter Frankfurt. Ein „richtiger“ Zug, der auf der Schiene von einem Ort zum anderen reisen kann, ist das 2017 fertiggestellte Modell aber nicht, sondern ein originalgetreues Anschauungsobjekt. Umgesetzt wurde das Projekt von der Südostbayernbahn gemeinsam mit dem Innovationslabor der Deutschen Bahn, der Münchener Designagentur neomind und den Produktinnovations- und IT-Abteilungen der DB Regio Zentrale. Zahlreiche Kundenbefragungen sind in das Projekt miteingeflossen. Rund 30 Industrie- und Technologiehersteller erarbeiteten zusammen die Innenausstattung. Entstanden sind 22 Module, die sich auf den zwei Etagen des simulierten Doppelstockwagons als buntes Ideenbuffet präsentieren. Kunden und interessierte Besucher können die Innovationen testen und erleben, was die Zukunft des Zugreisens in der Regionalbahn, aber auch in Fernverkehrszügen, zu bieten hat.
Christian Schaalo und Julian Fordon vom Marketing- und Kommunikationsteam des DB Ideenzuges begrüßen uns. Sie begleiten meinen Fotografen und mich durch das Objekt und erklären uns alles. „Mit dem Ideenzug wollen wir schon einmal einen ersten Ausblick geben, wohin die Reise gehen kann“, erklärt Fordon.
„Im Zuge der Verkehrswende wird aus unserer Sicht die Bahn und insbesondere der Regionalverkehr ein noch wichtigerer Baustein der Mobilität sein. Gerade in den Ballungszentren wird der Wunsch nach nutzbarer Reisezeit ein steigender Faktor, dem wir mit unterschiedlichen Konzepten begegnen wollen.“
Schaalo nickt zustimmend und ergänzt: „Wir glauben, dass in Zukunft die Individualinteressen noch ausgeprägter sein werden. Die Fahrgäste wollen nicht nur von A nach B kommen, sondern den Zug als Teil ihrer individuellen Reisekette gut vernetzt verstehen. Dazu gehören auch verbesserte Möglichkeiten zur Mitnahme von Fahrrädern oder ein breiter gestreutes Digitalangebot.“
Er deutet auf die Fahrradständer zu meiner Linken. Sie sind vertikal an der Wand angebracht und mit mechanischen Flaschenzugsystemen ausgestattet. Zweiräder lassen sich so ohne größeren Kraftaufwand an den Wänden emporziehen und können platzsparend und sicher untergebracht werden. Auch Steckdosen befinden sich neben der Haltevorrichtung. Praktisch, denn so können E‑Scooter und E‑Bikes gleich wieder aufgeladen werden, so dass die Fahrt nach dem Ausstieg frisch „aufgetankt“ fortgesetzt werden kann.
„Luftschlösser“ dienen als Ideenanstöße für weitere, umsetzbare Konzepte.
Neben mir leuchtet das Wegeleitsystem. Digitale Infotafeln weisen den Weg zum Platz und versorgen den Fahrgast mit Informationen zur Fahrt und zum Umstieg am nächsten Bahnhof. Während ich die blinkenden Anzeigen begutachte, entdecke ich im Augenwinkel bereits das nächste Highlight, das mich köstlich amüsiert. Neben dem Eingangsbereich befindet sich ein Fitnessstudio mit modernen Spinning-Rädern zwischen rotleuchtenden LED-Lichtelementen. Auch eine Yogakabine ist vor Ort. So lässt sich eine kleine Sporteinheit auf dem Nachhauseweg unterbringen. Sogar Faszienrollen und ein digitaler Bildschirm-Coach sind zur Stelle. Ich staune was zukünftig wohl alles möglich sein wird.
Schaalo und Fordon erklären jedoch, dass es sich bei einigen Ideen leider nur um Studien handelt, deren Umsetzung vorerst unrealistisch ist. Dennoch dienen diese „Luftschlösser“ als Ideenanstöße für weitere, umsetzbare Konzepte.
Der Ideenzug kann nach Anmeldung mit einer oder mehreren Gruppen (ca. 8 bis 12 Personen je Gruppe) besichtigt werden.
Weitere Infos unter: www.ideenzug.de
Das fühlt sich definitiv nach Zukunft an.
Beeindruckt drehe ich mich um und setzte meinen Spaziergang mit den beiden „Ideengebern“ durch den Zug der Zukunft fort. Ich entdecke Klappsitze, Stehstützen und Tische, die nach Bedarf aus- und eingeklappt werden können. Dann geht es vorbei an einer langen Arbeitstheke und einem riesigen Flachbildschirm, auf dem der Fahrgast der Zukunft Nachrichten, Fußballspiele oder Dokumentationen mitverfolgen kann. Der Dining-Bereich, der einem amerikanischen Highway-Diner nachempfunden wurde, wartet mit bequemen Sitzbänken auf.
Darunter lassen sich Gepäckstücke mühelos verstauen. Das ist gut, denn so entfällt das mühselige Kofferbalancieren über fremden Köpfen. Auf den Tischen entdecke ich integrierte Tablet-Stellflächen und induktive Aufladefelder für Smartphones.
Ich blicke um mich… das fühlt sich definitiv nach Zukunft an. Auch an den kleinen Hunger wurde gedacht. Automaten halten eine Auswahl an Leckerbissen, z.B. Gebäck, sowie heiße und kalte Getränke bereit. Weiter hinten gibt es ein Abteil für Großfamilien und Gruppenreisende mit viel Platz für geselliges Zusammensitzen sowie ein Spielparadies für kleine Fahrgäste. Die Ausstattung mit Kletterseilen, Holzspielzeug und Märchenecke dürfte sich bei Kindern größter Beliebtheit erfreuen.
Viele Ideen wurden vor allem für den Regionalbereich und für kürzere Fahrten, wie das tägliche Pendeln zur Arbeit, durchdacht. Aber auch für den Fernverkehr gibt es interessante Umsetzungen, was den Passagier natürlich besonders interessiert. Auf in die zweite Etage…