Nächster Halt, Paris!
Sind es wirklich schon wieder drei Jahre, seit meinem letzten Besuch? Also, warum nicht einfach ab in den Zug und die vertraute Stadt nach einiger Zeit wieder neu erkunden? Als Schülerin ging ich dort einige Monate auf ein Collège, mehrere Urlaube verbrachte ich dank meiner frankophilen Eltern dort, ich hatte eine Pariser Brieffreundin und die Begeisterung für und das Beherrschen der französischen Sprache nahmen nie ab. Aber wie erleben eigentlich die Einwohner Paris ihre Stadt? Wo gehen sie hin, wenn sie sie genießen, aber nicht mit Touristen teilen möchten? Kann man sich in drei Tagen ein bisschen was des typischen Pariser Lebensgefühls aneignen?
Gedacht, recherchiert, getan. Denn Paris ist von Deutschland aus sehr schnell mit dem Zug zu erreichen. Von Stuttgart aus ist man in knapp dreieinhalb Stunden am Gare de l’Est, von der Grenzregion aus, in der ich wohne, sogar in nur zwei Stunden. Ab Strasbourg fährt nämlich in Windeseile der TGV (train à grande vitesse = Hochgeschwindigkeitszug) nach Paris. Und kaum im Zug, ist schnell dieses besondere Gefühl da. Als Kind klebte ich mit meinen Geschwistern am Fenster, denn wer als Erstes den Eiffelturm erspähte, bekam eine Kugel Eis. Und auch jetzt merke ich, wie die Aufregung zunimmt, je näher wir kommen.
Eine der typischen Straßen: Flanieren und Entdecken ist hier ein Vergnügen (rechts). Kommt man aus Köln, wird man vom Gare Du Nord begrüßt (links unten)
Am Gare de l’Est angekommen, ist das Hotel „Les Deux Gares“ gleich um die Ecke.
Es macht sofort gute Laune durch die kleinen, modernen Zimmern mit rosé-gefließtem Bad (mit Fenster!), sowie dunkelgrüner Tapete mit orangenen Vorhängen. Der erste Erkundungsabend. Egal, um welche Ecke man läuft, man trifft überall auf Bistros mit den typischen rot-beige-gemusterten Korbstühlen an kleinen runden Tischen, die Blickrichtung immer auf die Straße, man will schließlich beobachten. Ich bestelle einen Aperitif sowie eine Käseplatte und stelle wieder fest, wie eine gewöhnliche Straßenszenerie zum besten Unterhaltungsprogramm wird.
Puces de Saint-Ouen
Der erste Tag beginnt früh. Als Nicht-Kaffeetrinker fällt für mich das Frühstück aus, aber ich habe großen Spaß daran, zu beobachten, wie lustvoll Franzosen ihr Croissant in die Tasse Kaffee tauchen. Der erste Weg führt mich in den Norden Paris’, zum Antiquitätenmarkt „Puces de Saint-Ouen“, vom Gare de l’Est nur ca. 30 Metro-Minuten entfernt. Hier trifft man alteingesessene Pariser, erfahrene Verkäufer, sachverständige Experten.
Ein Plausch mit den Händlern ist ein Muss. Weil es hier keinen Ramsch gibt, sondern die Qualität der Waren sehr hoch ist und dementsprechend auch mancher Preis, darf man auch einfach nach der Geschichte hinter den Antiquitäten fragen, ohne etwas zu kaufen. Hier wird man fündig, wenn man ganz besondere Einrichtungsgegenstände sucht, riesige Kronleuchter, Louis Seize-Stühle, alte Fotoapparate, aber auch Vintage-Kleidung, die jedes mode-affine Herz höherschlagen lassen.
Ich suche eigentlich nichts, komme allerdings nicht an einer außergewöhnlich geschwungenen, antiken Handarbeitsschere und einem kleinen, blumenverzierten Porzellanschälchen mit goldener Zuckerzange vorbei. Nichts, was ich brauchen könnte, aber schon alleine zu wissen, dass ich es in Paris gekauft habe, lässt mich strahlen. Man könnte hier einen ganzen Tag verbringen, durch die vielen kleinen Straßen des Markts wandern und die Auslagen der Händler in ihren kleinen, rolladen-geschützten und mit Efeu bewachsenen Häusern bewundern, aber ich habe ja noch mehr vor.
Ruhe und Trubel einer Stadt
Ein bisschen Ruhe nach den vielen Plaudereien und Menschen tut gut, der Friedhof von Montmartre liegt auf der Strecke zurück. Zwar ist das ganze Künstler-Viertel Montmartre einen Besuch wert, aber ich möchte ja die touristischen Ecken vermeiden. Der große, wundervoll grüne Cimetière beeindruckt mit riesigen, steinernen, mit lebensgroßen Statuen geschmückten Familiengräbern neben kleinen, mit Fotos verzierten Ruhestätten. Hier liegen Heinrich Heine, Alexandre Dumas und Simone de Beauvoir unter so vielen Baumalleen, dass ich selbst, als es regnet, keinen Tropfen abbekomme. Wie viel Geschichte in diesem Ort steckt!
Am Nachmittag geht es wieder rein ins pulsierende Leben, durch die typischen lange und gerade verlaufenden Straßen, links und rechts die hohen, grauen Häuser mit den so hübsch verschnörkelten Balkongeländern, auf den Gehwegen eine Menge Mofas und E-Roller und auf der Straße die hupenden Autos. Das Flanieren zurück Richtung Hotel führt mich an der kleinen Crêperie „L’Atelier des Sœurs“ (Place Franz Liszt) vorbei, die erst seit einem Jahr existiert und in der viel Herzblut, sowie in der Einrichtung viel Handwerk steckt. Das Essen ist wunderbar, französisch mit einem internationalen, modernen Schliff, die Lage angenehm ruhig, die Mitarbeiter ausgesprochen aufmerksam und herzlich. So entspannt kann Paris sein, wenn man einfach dahingeht, wo die Einwohner sind. Es geht anschließend früh ins Bett, denn der nächste Tag wird künstlerisch anspruchsvoll.
Zu Besuch im Musée Picasso
Am nächsten Tag steht das Picasso-Museum auf dem Plan. Zurzeit (noch bis zum 02. Januar 2022) stellt die Ausstellung die unerwartete Verbindung von Picassos Arbeit zu den Statuen des französischen Bildhauers Auguste Rodin her. Zu sehen, wie dieser Vergleich Anhaltspunkte für die berühmten Deformations-Skulpturen Picassos gibt und wie detailliert die Ausstellung in wunderschönen Räumen eines Stadtpalais aus dem 17. Jahrhundert nicht nur die Werke des Spaniers würdigt, sondern sie in einen größeren Kontext setzt, ist faszinierend.
Sie zeigt nämlich auch, von was sich Picasso inspirieren ließ – von Frauen generell und lesenden Frauen im Speziellen, von der Tierwelt, Natur und Poesie. Nichts gegen den Louvre oder das Museé d’Orsay, aber die etwas kleineren der Pariser Museen lassen mehr Möglichkeiten, wirklich den Kunstwerken zu folgen. Zudem bietet das Musée Picasso mit dem für jeden Besucher zugänglichen Garten im Innenhof einen schönen, ruhigen Ort, an dem man alle Eindrücke Revue passieren lassen kann.
So geht es erholt zur Île de la Cité, der Binneninsel auf der Seine, und damit auch auf die Pont Neuf, der ältesten der neun Seine-Brücken, wagen. Endlich erblicke ich den Eifelturm und kann ein freudiges Quieken nicht unterdrücken. Ich bin immer wieder von Neuem von diesem Anblick begeistert. Dieser Blick muss allerdings reichen, denn es geht weiter auf Erkundungstour zu den Orten, die auch die Pariser selbst ansteuern…
Kunterbunt, persönlich & erfrischend exzentrisch
Etwa auf halbem Weg zwischen den Bahnhöfen Gare du Nord und Gare de l’Est liegt das Kleinod Hôtel les Deux Gares – ein Hotel, um das Sie keinen Bogen machen sollten. Wenn man die Lobby betritt wird man unweigerlich denken: Wow, was für Farben! Und es kommt noch besser.
Einst lebte hier ein exzentrischer, britischer Künstler. Nach seinem Tod wurde das Haus als Hotel weitergeführt – mit diesem fantasievollen Bild im Kopf hat Star-Innenarchitekt Luke Edward Hall jedenfalls das Interieur gestaltet, als er den Auftrag für Innen-Gestaltung des Hauses erhielt. Und tatsächlich bekommt man hier den Eindruck, bei jemandem zu Hause zu sein. Jemanden, der es versteht sich gemütlich und zugleich angenehm exzentrisch einzurichten. Und das ist irgendwie schön.
Erst im Herbst 2020 hat das 33-Betten-Boutique-Hotel im 10. Arrondissement seine Türen geöffnet. Es ist zwar kein Geheimtipp mehr, aber der Passagier sucht nach einer langen Zugreise einen angenehmen wie ungewöhnlichen Ort und den hat er hier definitiv gefunden.
Hôtel les Deux Gares
2 Rue des Deux Gares, Paris
www.hoteldeuxgares.com
Mit dem Zug durch Frankreich
Das Fernweh hat Sie gepackt und Sie möchten sich am liebsten gleich selbst ins nächste Zugreise-Abenteuer stürzen? Dann nichts wie los!
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